Bei Notfällen: Lass Dich bis zu 10 Tage freistellen
Plötzlich Pflegefall – was nun?
Egal, ob durch einen Unfall oder eine plötzliche Erkrankung – ein naher Angehöriger kann ganz plötzlich pflegebedürftig werden. Das fordert Dich heraus, die Pflege mit Deinem Beruf in Einklang zu bringen. Gerade zu Anfang weißt Du nicht, wo Dir der Kopf steht. Für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besteht in so einer Situation Anspruch auf „kurzzeitige Arbeitsverhinderung“.
Option: Sofortige Freistellung
Wenn Du Zeit für die Organisation der Pflege brauchst, lass Dich bis zu zehn Arbeitstage freistellen. Eine Ankündigungsfrist gibt es nicht. Dieser „Sonderurlaub“ ist für pflegende Angehörige also sofort möglich.
Wichtig: Arbeitgeber informieren
Informiere bitte Deinen Arbeitgeber über die voraussichtliche Dauer Deiner Abwesenheit. Dazu bist Du verpflichtet. Das geht ganz einfach per E-Mail.
Der Arbeitgeber kann Deiner Freistellung nicht widersprechen. Dieses Recht, im akuten Pflege-Notfall kurzzeitig nicht arbeiten zu müssen, haben alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es ist unabhängig von der Unternehmensgröße.
Mustertext für eine E-Mail zur kurzzeitigen Arbeitsverhinderungen an Deinen Arbeitgeber:
Offiziell bestätigter Pflegegrad ist keine Voraussetzung für Pflegeunterstützungsgeld
Für eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung muss bei Deinem Angehörigen noch kein Pflegegrad festgestellt sein. Es muss aber eine akute Pflegebedürftigkeit vorliegen.
Wenn Dein Arbeitgeber einen Nachweis verlangt, musst Du daher eine ärztliche Bescheinigung über die voraussichtliche Pflegebedürftigkeit vorlegen. Dafür reicht es, wenn die behandelnde Ärztin oder der Arzt dieses Musterformular unterschreibt.
Musterformular für das Attest der akuten Pflegebedürftigkeit des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Schritte für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung und Pflegeunterstützungsgeld
Akuter Pflegefall eines nahen Angehörigen (z. B. Unfall, plötzliche Erkrankung der Eltern)
Formlose Info über die Dauer der Abwesenheit an Arbeitgeber (AG)
Pflegeunterstützungsgeld bei Pflegeversicherung beantragen (optional)
Ärztliches Attest für AG und Pflegeversicherung (optional)
Entgeltbescheinigung beim AG anfordern und bei Pflegeversicherung einreichen (optional)
Pflegeunterstützungsgeld: Bis zu 90 % des Netto-Entgelts von der Pflegekasse
Während der Freistellung bezahlt der Arbeitgeber nur dann eine Lohnfortzahlung, wenn diese ausdrücklich vereinbart wurde – im Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag. Wenn Du unsicher bist, frage am besten in der Personalabteilung nach.
Zahlt Dein Arbeitgeber für diese Tage nicht, kannst Du stattdessen „Pflegeunterstützungsgeld“ bei der Pflegekasse Deines Angehörigen beantragen. Auch für diesen Antrag brauchst Du das bereits genannte Attest. Zusätzlich ist eine vom Arbeitgeber ausgefüllte Entgeltbescheinigung notwendig. Diese Nachweise kannst Du später nachreichen. Deinen Anspruch solltest Du aber am besten sofort bei der Pflegekasse anmelden, z. B. per E-Mail oder telefonisch.
Diese Leistung beträgt in der Regel 90 % des während der Freistellung ausgefallenen Netto-Entgelts minus Sozialabgaben. Maximal werden 112,88 EUR pro Tag gezahlt (brutto, Stand 2022).
Vordruck für vom Arbeitgeber auszufüllende Entgeltbescheinigung:
Nächster Schritt: Pflegegrad beantragen
Häufig gestellte Fragen
Eine akute Pflegesituation liegt nach dem Pflegezeitgesetz vor, wenn sie plötzlich, also unvermittelt und unerwartet, auftritt. Ein typischer Fall: Dein Angehöriger ist nach einem Unfall oder Sturz körperlich so beeinträchtigt, dass ein Leben zu Hause ohne Pflege nicht mehr möglich ist. Arztbesuche oder die Erkrankung von Pflegepersonen zählen nicht als solche Krisensituationen.
Nahe Angehörige sind Ehe- und Lebenspartner, Partner in einer eheähnlichen Gemeinschaft, Eltern, Geschwister und Kinder, aber auch Stief-, Schwieger- und Großeltern, Adoptiv-, Pflege-, Schwieger- und Enkelkinder sowie Schwägerinnen und Schwager.
Der Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung ist in der Regel beschränkt: insgesamt zehn Arbeitstage je Pflegebedürftigen. Wird ein weiterer Angehöriger pflegebedürftig – nach dem Vater beispielsweise auch die Mutter – kannst Du Dich erneut für bis zu zehn Tage von Deinem Beruf freistellen lassen und Dich um die Pflege kümmern. Eine akute Pflegesituation wird in der Regel nur einmal je pflegebedürftiger Person auftreten. Daher kannst Du dieses Recht auch nur einmal pro Pflegefall nutzen. Wenn bei einem Pflegebedürftigen ausnahmsweise die Voraussetzungen mehrmals vorliegen, ist die wiederholte Inanspruchnahme der Freistellung nicht ausgeschlossen. Möchtest Du längere Zeiträume pflegen und arbeiten sind Pflegezeit und Familienpflegezeit eine Option. Zur Finanzierung dieser Pflegezeiten besteht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf ein zinsloses Darlehen.
Die zehn Tage können auf mehrere Pflegepersonen aufgeteilt werden. Zum Beispiel können sich zwei Geschwister jeweils fünf Tage frei nehmen. Ihr Anspruch ist zusammen auf insgesamt zehn Arbeitstage begrenzt. In diesem Fall müssen die Tage aber nicht zusammenhängend genommen werden. Beispiel: Du nimmst zuerst zwei Tage frei um zu pflegen. Dein Bruder oder Deine Schwester dann die nächsten drei, um einen Pflegedienst zu organisieren. Danach kannst Du noch einmal bis zu fünf Arbeitstage frei nehmen für die Pflege. Wichtig: An jedem Tag dieser Phasen muss die Pflegesituation akut sein, sodass in der Regel zehn aufeinanderfolgende Arbeitstage (aufgeteilt auf mehrere Personen) möglich sind.
Aktualisiert am: 08.08.2023